Klimaschutz und Ernährung
Die produktionsbezogene Betrachtung des Artikels Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft (Agrarforschung Schweiz, Oktober 2015, Heft 10) wird hier durch eine konsumseitige Perspektive ergänzt. Somit rücken auch die mit der Verarbeitung und dem Handel von Nahrungsmitteln verbundenen Treibhausgasemissionen ins Blickfeld. Gemäss einer Studie über die Umweltbelastung durch Konsum und Produktion in der Schweiz ist die «Ernährung» mit einem Emissionsanteil von ungefähren 17 % nach «Wohnen und Energie» und «Mobilität» die drittgrösste Kategorie des privaten und öffentlichen Endkonsums in der Schweiz. Nahrungsmittel gehören mit ungefähr 0,38 kg CO2-Äquivalent pro Franken zu den treibhausgasintensivsten Konsumgütern. Folglich kommt, neben der Anpassung der Produktion an das standörtliche Potenzial, dem bewussten Nahrungsmittelkonsum eine wichtige Rolle bei der Verminderung der Treibhausgasemissionen zu.
Konsumseitiger Anstieg der THG-Emissionen
Aufgrund der relativ hohen Bevölkerungsdichte und der beschränkten Agrarfläche kann sich die Schweiz nicht selbständig mit Nahrungsmitteln versorgen und ist auf Importe angewiesen. Bei den pflanzlichen Lebensmitteln beträgt der Selbstversorgungsgrad ungefähr 45 %, während er bei tierischen Lebensmitteln leicht über 100 % (brutto) bzw. bei etwa 78 % (netto; d. h. nur mit inländischen Futtermitteln produziert) liegt. So werden vor allem pflanzliche Nahrungs- und Futtermittel aus dem Ausland importiert. Aus einer Konsumperspektive müssen die entsprechenden produktionsbedingten THG-Emissionen der Schweiz angerechnet werden. Die Emissionen der Exportnahrungsmittel können entsprechend negativ verbucht werden.
Während die Emissionen aus der Schweizer Landwirtschaft bei gleichzeitiger Produktionssteigerung seit 1990 rückläufig waren, stiegen die Emissionen durch den Nahrungsmittelimport stark an (plus zwei Drittel), hauptsächlich verursacht durch das stetige Bevölkerungswachstum. Auch die Exportemissionen sind stark angestiegen allerdings auf einem viel tieferen Niveau. Pro Kopf haben sich die ernährungsbedingten THG-Emissionen in der Schweiz seit 1990 kaum verändert und liegen bei ungefähr 2 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr.
Ziellücke
Die mit den Importen von Lebensmitteln verbundenen THG-Emissionen sind ungefähr so hoch wie die Emissionen aus der inländischen landwirtschaftlichen Produktion selbst. Dies verdeutlicht, dass der Nahrungsmittelkonsum über den Landwirtschaftssektor der Schweiz hinaus eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung und Beurteilung von Verminderungsmassnahmen spielt. Gleichzeitig sind die Einflussmöglichkeiten der Agrarpolitik diesbezüglich beschränkt.
Um die THG-Emissionen auf einem ungefährlichen Niveau zu stabilisieren, dürften über sämtliche Lebensbereiche noch maximal 1-1,5 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf und Jahr ausgestossen werden. Jedoch verursachte allein der Bereich Ernährung 2013 hierzulande Emissionen in der Höhe von knapp 2 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf und Jahr, und es sind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Für das Erreichen des zweiten Teils des Reduktionsziels der Klimastrategie Landwirtschaft (Reduktion um zwei Drittel bis 2050 im Vergleich zu 1990 unter Einbezug des Nahrungsmittelkonsums bzw. auf ca. 0,7 t CO2-Äquivalent pro Kopf und Jahr) bedarf es entsprechend tiefergreifender Veränderungen der Konsum- und Produktionsmuster.
Tierische Produkte schenken ein
Eine grosse wirtschaftliche Antriebskraft hinter der landwirtschaftlichen Produktion ist der Konsum. Damit fällt den Konsumentinnen und Konsumenten eine gewisse Verantwortung bei der Minderung der Emissionen aus der Landwirtschaft zu. Über die Zusammensetzung ihres Lebensmittelwarenkorbs können sie die landwirtschaftliche Produktion und somit den Ausstoss an Treibhausgasen massgeblich beeinflussen. Vor allem die Wahl zwischen verschiedenen Nahrungsmittelgruppen (Getreideprodukte, Gemüse, Obst, Fleisch, Milchprodukte usw.) hat grosse Auswirkungen.
Ökobilanzstudien erlauben es, Treibhausgasintensitäten einzelner Nahrungsmittelgruppen miteinander zu vergleichen. Besonders tierische Produkte weisen sehr hohe Emissionsintensitäten auf. Bei Produkten von Wiederkäuern fallen die sehr hohen Methanemissionen aus der Verdauung der Tiere zusätzlich stark ins Gewicht. Tierische Nahrungsmittel sind dementsprechend für über 80 % der Emissionen des Nahrungsmittelkonsums in der Schweiz verantwortlich. Der mengenmässige Konsum von pflanzlichen Nahrungsmitteln ist zwar meist bedeutend höher, jedoch ist deren THG-Intensität klein.
Den Treibhausgasemissionen von Nahrungsmitteln auf der Spur
Obschon die Zugehörigkeit zu einer Nahrungsmittelgruppe massgebend ist für die Höhe der Treibhausgasintensität eines Produkts, können auch die Herkunft und Herstellungsmethode einen grossen Einfluss haben. In der Studie «Ökobilanz ausgewählter Schweizer Landwirtschaftsprodukte im Vergleich zum Import» untersuchte Agroscope die Umweltwirkungen von Weizenbrot, Speisekartoffeln, Käse und Rindfleisch und verglich die inländische Produktion mit Importen. Dabei wird der Einfluss der Verarbeitung, der Lagerung und der Transporte im Vergleich zur landwirtschaftlichen Produktion auf das Treibhauspotenzial dieser Produkte sichtbar. Nahrungsmittel tierischen Ursprungs weisen generell deutlich höhere THG-Emissionen pro Kilogramm Produkt auf als pflanzliche Nahrungsmittel. Deshalb fallen beispielsweise bei Käse und Rindfleisch die nachgelagerten Stufen anteilsmässig weniger ins Gewicht als bei Kartoffeln.
Der Beitrag der Transporte hängt von den Distanzen und den gewählten Transportmitteln ab. Die Umweltbelastung nimmt in der Reihenfolge Schiff, Bahn, Lastwagen und Flugzeug zu. Besonders auffällig ist der hohe Beitrag der Flugtransporte zur Klimabelastung des brasilianischen Rindfleischs. Daneben spielt die Art des Transports (ungekühlt, gekühlt oder tiefgekühlt) eine Rolle. Beispielsweise sind bei den Speisekartoffeln die THG-Emissionen von Importware aus anderen europäischen Ländern durch den gekühlten Transport fast doppelt so hoch wie bei Schweizer Kartoffeln. Die Verarbeitung von Nahrungsmitteln hat einen umso grösseren Anteil an den THG-Emissionen der nachgelagerten Stufen, je grösser der Aufwand an Inputs oder je grösser der Grad der Verarbeitung ist. Bei Speisekartoffeln ist der Verarbeitungsgrad gering, während Brot, Käse und Rindfleisch relativ intensive Prozesse durchlaufen müssen. Hier gilt aber ebenfalls, dass bei den tierischen Produkten die Produktionsphase den Einfluss der Verarbeitung deutlich überwiegt, während die Verarbeitung bei pflanzlichen Produkten einen grösseren Anteil an den THG-Emissionen ausmacht. Zudem kann es eine Rolle spielen, wo die Verarbeitung stattfindet, da beispielsweise der Strommix in verschiedenen Ländern unterschiedlich hohe THG-Emissionen verursacht.
Beim Rindfleisch sind die grossen Unterschiede im Treibhauspotenzial v.a. in den Produktionssystemen begründet, die in der Studie betrachtet wurden (Grossviehmast vs. Mutterkuhhaltung). Bei der Grossviehmast stammt das Masttier von Milchkühen, deren Klimawirkung grösstenteils der Milchproduktion zugeteilt wird. In einem Mutterkuhsystem hingegen wird nur Fleisch produziert, die ganze Klimawirkung der Mutterkuh wird dementsprechend der Fleischproduktion angerechnet. Daneben können in Brasilien durch die günstigeren klimatischen Bedingungen die Tiere zwar ganzjährig auf der Weide gehalten werden und es werden praktisch keine externen Inputs aufgewendet. Andererseits weist das untersuchte brasilianische System eine sehr lange Mastdauer mit geringen Zuwächsen und einer geringen Futterverwertung auf, was in viel emittiertem Methan, verteilt auf wenig Fleisch, resultiert. Dazu kommt noch ein grosser Anteil an CO2 aus der Umwandlung von Regenwaldflächen in Weideland.
Diese Ergebnisse zeigen beispielhaft, dass vielfältige, produktspezifische Informationen notwendig sind, um die Klimawirkung eines Nahrungsmittels beurteilen zu können. Produktumweltinformationen können dabei helfen, die Konsumentenschaft bei Kaufentscheiden zu unterstützen und eine umweltfreundlichere Produktion zu fördern. In diesem Zusammenhang führte Agroscope in der Studie «Eignung der Methoden PEF und ENVIFOOD für die Umweltproduktdeklaration von landwirtschaftlichen Produkten» eine Literaturanalyse durch, in der zwei der aktuell wichtigsten Methoden untersucht und mit einer Auswahl der wichtigsten internationalen methodischen Richtlinien für Produkt-Ökobilanzen verglichen wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass mit den beiden Methoden wertvolle Instrumente geschaffen wurden, die allerdings noch ergänzt und angepasst werden sollten. Beispielsweise spielt das Vorgehen bezüglich der Aufteilung der Klimawirkung auf die Haupt- und Nebenprodukte (wie Milch und Fleisch, Rapsöl und Rapskuchen) eine wesentliche Rolle, und für eine gesicherte Aussage werden präzisere Vorgaben benötigt.
Klimafreundliche Ernährung
Trotz diverser ungelöster Probleme bezüglich der Umweltdeklaration von Nahrungsmitteln können robuste generelle Empfehlungen an die Konsumentinnen und Konsumenten gemacht werden, wie beispielsweise mit den Tipps zum nachhaltigen Essen und Trinken der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. So ist eine Umstellung hin zu einer zunehmend vegetarisch orientierten Ernährung aus Sicht des Klimaschutzes äusserst vielversprechend: Zum einen wegen des grossen Emissionsvolumens der Tierproduktion und zum anderen, weil die Wirkung im Gegensatz zu produktionsseitigen Massnahmen über sämtliche Bereiche der Nahrungsmittelkette erfolgt (siehe z. B. Stehfest et al. 2009, Popp et al. 2010, Smith und Gregory 2013). Dass die Wahl der Eiweissbeilage die Ökobilanz einer Mahlzeit mehr als jede andere Entscheidung beeinflusst und folglich die Belastung eines Menus durch Fleischverzicht oder -ersatz massgeblich reduziert werden kann, wird in einem Artikel über die Umweltbelastung durch Lebensmittel anschaulich aufgezeigt. Zu den weiteren Empfehlungen gehören: Nahrungsmittelabfälle vermeiden, möglichst wenig verarbeitete Produkte bevorzugen, und die Saisonalität und Regionalität beachten (Produkte aus beheizten Gewächshäusern sowie Flugtransporte meiden).
Die Massnahmen «ressourcenschonendere Ernährung» und «Verringerung Food Waste» des Aktionsplans grüne Wirtschaft sowie Erkenntnisse aus dem Nationalen Forschungsprogramm «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion» (NFP 69) sollen weiter dazu beitragen, dass das ökologische Verbesserungspotenzial bei der Ernährung konkreter aufgezeigt und besser ausgeschöpft werden kann.
Literatur
Bretscher et al., 2014: Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft. Agrarforschung Schweiz 5 (11+12), 458-465.
Bystricky et al., 2014: Ökobilanz ausgewählter Schweizer Landwirtschaftsprodukte im Vergleich zum Import.
Popp et al., 2010: Food consumption, diet shifts and associated non-CO2 greenhouse gases from agricultural production. Global Environmental Change 20 (3), 451–462.
Smith P. & Gregory P.J., 2013: Climate change and sustainable food production. Proceedings of the Nutrition Society 72, 21–28.
Stehfest et al., 2009: Climate benefits of changing diet. Climatic Change 95, 83–102.
Daniel Bretscher, Jens Lansche, Agroscope INH und Daniel Felder, BLW, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, daniel.felder@blw.admin.ch,
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