Nahrungsmittelabfälle
Laut einer Studie der Food and Agriculture Organization FAO (Gustavsson et al. 2011) geht weltweit ein Drittel aller für den menschlichen Konsum produzierten Nahrungsmittel verloren oder wird weggeworfen. Verschiedene Studien (Almeida 2011, Beretta et al. 2012, WWF 2012) schätzen, dass auch in der Schweiz ungefähr ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel nicht gegessen wird.
Repräsentative Erhebungen existieren in der Schweiz bislang auf den Stufen Detailhandel, Gastronomie und Konsum. Auf Stufe Detailhandel und Gastronomie kommt der Bundesratsbericht in Erfüllung des Postulats Chevalley 12.3907 zum Schluss, dass im Detailhandel ungefähr 100 000 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr anfallen, ca. 95 % davon wären vermeidbar. In der Gastronomie fallen pro Jahr ungefähr 290 000 Tonnen Lebensmittelabfälle an, wovon ca. 2/3 vermeidbar wären.
Auf Stufe Konsum untersuchte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Jahr 2012 die Kehrrichtzusammensetzung. Die Untersuchung zeigt, dass schweizweit jährlich 251 000 Tonnen Nahrungsmittel (ohne Rüstabfälle) im Kehricht von Privathaushalten landen, davon rund 15 000 Tonnen Fleisch und Fisch.
Die Resultate der beiden Studien umgerechnet pro Kopf der Bevölkerung und Jahr sind der untenstehenden Tabelle zu entnehmen:
Nahrungsmittelabfall in der Schweiz – Übersicht Ergebnisse repräsentativer Studien
Nahrungsmittelabfall in der Schweiz | kg / Kopf /Jahr |
Nahrungsmittelabfälle in Kehrichtsäcken von Privathaushalten | ca. 33,5 |
Nahrungsmittelabfälle im Detailhandel | ca. 12 |
Nahrungsmittelabfälle in der Gastronomie | ca. 20 |
Quellen: BAFU (2013) - Erhebung der Kehrichtzusammensetzung 2012 & Bundesratsbericht (2014) – Nahrungsmittelverluste im Detailhandel und in der Gastronomie in der Schweiz
Aktionsplan Grüne Wirtschaft
Im Rahmen des Aktionsplans «Grüne Wirtschaft» vom 8. März 2013 leistet der Bundesrat einen Beitrag zur Reduktion der Nahrungsmittelabfälle (Food Waste) in der Schweiz. Eine Projektgruppe bestehend aus den Bundesämtern für Landwirtschaft (BLW), Umwelt (BAFU), Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) koordiniert unter der Leitung des BLW seit 2012 entsprechende Arbeiten. Diese umfassen einen Stakeholderdialog, einen Forscherdialog, die Verbesserung des Grundlagenwissens sowie Aktivitäten zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
Stakeholderdialog
Nahrungsmittelabfälle fallen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette der Nahrungsmittelproduktion an. Ein Teil der Herausforderung im Zusammenhang mit der Reduktion der Abfälle ist übergreifender Natur. Es ist deshalb notwendig, diese gemeinsam anzugehen. Zu diesem Zweck hat die Projektgruppe der Bundesverwaltung einen Stakeholderdialog durchgeführt. Im Stakeholderdialog wurden zusammen mit den Akteuren der gesamten Lebensmittelkette und der Zivilgesellschaft übergreifende Lösungen für die langfristige Reduktion der Nahrungsmittelabfälle in der Schweiz erarbeitet. Die Lösungssuche fand im Rahmen von drei thematischen Arbeitsgruppen statt («Datierung», «Hilfsorganisationen» und «Bildung, Sensibilisierung, Information»). Diese drei Themen waren vorgängig in Einzel- und Gruppengesprächen mit den Akteuren als zentral für die Reduktion von Food Waste identifiziert worden.
Arbeitsgruppe Datierung
Unter der Leitung des BLV erarbeitete die Arbeitsgruppe Datierung zwei Leitfäden: Ein erster Leitfaden basiert auf Vorarbeiten der Foederation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (fial) und richtet sich an Nahrungsmittelindustrie und Detailhandel. Er stellt eine Auslegehilfe für die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen dar und macht für üblicherweise im Kühlregal angebotene Lebensmittel konkrete Empfehlungen für die Wahl der Datierungsart. Diese werden nun von den Akteuren der Lebensmittelindustrie und des Detailhandels umgesetzt. Ein zweiter Leitfaden basiert auf Vorarbeiten der Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IG DHS) und erläutert Konsumentinnen und Konsumenten in einer einfach verständlichen Sprache die verschiedenen Haltbarkeitsdaten.
Arbeitsgruppe Hilfsorganisationen
Die Arbeitsgruppe Hilfsorganisationen hat sich mit der Frage beschäftigt, wie die Spende von Lebensmitteln an Bedürftige weiter verbessert werden kann. Ein Resultat ist ein Leitfaden zur Weitergabe von Nahrungsmitteln. Darin werden die rechtlichen Bestimmungen zur Weitergabe von Lebensmitteln für die Hilfsorganisationen und für Unternehmen, die Lebensmittel spenden, einfach verständlich zusammengefasst. Um Nahrungsmittelspenden aus der Landwirtschaft, Industrie und dem Grosshandel zu vereinfachen, wurden zudem in der Arbeitsgruppe erste Abklärungen für eine Online-Spendendatenbank gemacht. Die Spendenorganisationen Schweizer Tafel und Partage konkretisieren diese Idee in einem Pilotprojekt.
Arbeitsgruppe Bildung, Sensibilisierung, Information
Im Rahmen der Arbeitsgruppe Bildung, Sensibilisierung, Information haben die interessierten Akteure unter Leitung des BAFU die Eckpfeiler für eine gemeinsame Sensibilisierungskampagne definiert. Basis dafür waren Vorarbeiten, welche im Auftrag des BAFU gemacht wurden (u.a. Grundlagenstudie mit repräsentativer Bevölkerungsbefragung).
Sensibilisierung der Öffentlichkeit
Aus dem Stakeholderdialog ist klar hervorgegangen, dass dem Staat eine Verantwortung im Bereich der Information und der Sensibilisierung der Bevölkerung zugesprochen wird. Das wichtigste Instrument des Bundes zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit war bisher die für den Welternährungstag 2012 erarbeiteten Ausstellung «Lebensmittel wegwerfen. Das ist dumm.». Die Ausstellung wurde zwischen 2012-2014 an Standorten in allen Landesteilen präsentiert. Als Anschluss an die Wanderausstellung unterstützte der Bund eine Ausstellung des Vereins foodwaste.ch zum Thema Food Waste, welche 2014 und 2015 an verschiedenen Messen und Events präsentiert wurde. Ein zusätzliches Instrument ist die Broschüre «Zahlen, Fakten Tipps», welche an interessierte Personen wie etwa Lehrkräfte abgegeben wird. Die Ausstellungsplakate können von interessierten Personen auch als A0-Plakate bezogen werden und finden insbesondere bei Schulen grossen Anklang.
Forscherdialog und internationale Tätigkeiten
Die Forschung muss das Wissen über Nahrungsmittelabfälle verbessern, mittels technischer Innovationen zur Abfallvermeidung und zur besseren Verwertung der Abfälle beitragen sowie konkrete Handlungsempfehlungen zuhanden von Gesellschaft und Politik erarbeiten. Der Forscherdialog des Bundes hat zum Ziel, den Austausch zwischen den Forschenden und die Ausschöpfung von Synergien zu fördern, sowie Doppelspurigkeiten zu verhindern. Daneben unterstützt der Bund im Hinblick auf eine Verbesserung des Grundlagenwissens auch konkrete Forschungsprojekte. Ein Schwerpunkt liegt dabei nach wie vor bei der besseren Erfassung des Ausmasses und der Auswirkungen von Food Waste in der Schweiz.
Nahrungsmittelabfälle werden auch in internationalen Organisationen intensiv thematisiert. Die FAO startete in Zusammenarbeit mit der Messe Düsseldorf GmbH die Initiative SAVE FOOD. Ziel ist es, den Dialog zwischen der Industrie, der Forschung, der Politik und der Zivilgesellschaft zu fördern und die Stakeholder regelmässig zusammenzubringen. Gemeinsam mit dem United Nations Environment Programme (UNEP) wurde unter dem Banner der SAVE FOOD-Initiative 2013 die Kampagne Think.Eat.Save lanciert. Think.Eat.Save ist eine Sensibilisierungskampagne, die Konsumentinnen und Konsumenten Tipps zur Vermeidung von Abfällen gibt.
Think.Eat.Save erwähnt die Wanderausstellung des Bundes als «Best Practice» im Bereich der Informationsprogramme für Konsumentinnen und Konsumenten.
Auch in der EU ist die Reduzierung der Nahrungsmittelabfälle ein wichtiges Thema. Seit 2012 läuft das Projekt Food Use for Social Innovation by Optimising Waste Prevention Strategies (FUSIONS). FUSIONS bringt Akteure der Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft aus europäischen Ländern im Rahmen einer Multi-Stakeholder-Plattform zusammen. Das übergeordnete Ziel dieses Projekts ist die Harmonisierung des Monitorings von Nahrungsmittelabfällen, die Umsetzung von innovativen Massnahmen zur optimierten Nutzung von Lebensmitteln entlang der Wertschöpfungskette und die Entwicklung von Leitfäden für eine gemeinsame Nahrungsmittelabfallpolitik innerhalb der EU. Das Projekt läuft bis 2016.
Florian Jakob, BLW, Fachbereich Sozioökonomie und Evaluation, florian.jakob@blw.admin.ch
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