Implementierung der Bali-Beschlüsse 

An der 9. WTO-Ministerkonferenz in Bali in 2013 war es den Mitgliedern gelungen, einzelne Themen der Doha-Runde vorzeitig abzuschliessen. Das Kernstück des sogenannten «Bali-Pakets» bildet das Abkommen über Handelserleichterungen (Trade Facilitation Agreement, TFA), welches zum Ziel hat, Zollverfahren zu vereinfachen. Auch im Bereich Landwirtschaft wurden mehrere Entscheide getroffen, darunter eine vorübergehende Lösung für staatliche Lagerhaltung zwecks Ernährungssicherheit durch Entwicklungsländer.

Die formelle Verabschiedung des Abkommens über Handelserleichterungen war ursprünglich auf Ende Juli 2014 angesetzt. Diese Frist konnte nicht eingehalten werden, da Indien seine Zustimmung von der Erarbeitung einer weiterreichenden rechtlich verbindlichen Lösung für seine Anliegen im Bereich der staatlichen Lagerhaltung zum Zweck der Ernährungssicherheit abhängig machte. Somit waren sowohl die Umsetzung aller Bali-Beschlüsse wie auch die weiteren Verhandlungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 weitgehend blockiert. Nachdem sich die WTO-Mitglieder schliesslich auf eine entsprechende Klärung des Bali-Beschlusses zur Ernährungssicherheit geeinigt hatten, konnte das Abkommen über Handelserleichterungen im November 2014 verabschiedet werden. Es tritt nach Ratifikation durch zwei Drittel der Mitglieder in Kraft. 

Entwicklungen im Rahmen der Doha-Runde

An der WTO-Ministerkonferenz in Bali in 2013 hatten die Minister die WTO-Mitglieder mit der Erarbeitung eines Arbeitsprogramms beauftragt, um die restlichen Themen der Doha-Runde einem Abschluss zuzuführen. Mit der formellen Verabschiedung des Abkommens über Handelserleichterungen durch den WTO-Generalrat im November 2014 konnten die Arbeiten dazu wieder aufgenommen werden. Die Frist für das Arbeitsprogramm wurde auf Ende Juli 2015 gesetzt.

In der ersten Jahreshälfte fanden an der WTO intensive Konsultationen zu den Agrarthemen statt. Anlässlich eines Treffens am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos Ende Januar 2015 unter der Leitung von Bundesrat Johann Schneider-Ammann einigten sich die WTO-Handelsminister zudem darauf, das Ambitionsniveau der Doha-Verhandlungen auf ein realistisches Niveau abzusenken. So sollte eine glaubwürdige Perspektive für einen baldigen Abschluss der Doha-Runde geschaffen werden.

Die Ausgestaltung dieser «Rekalibrierung» des Ambitionsniveaus gestaltete sich in der Folge jedoch schwierig. Die USA wiesen wiederholt darauf hin, dass sich die Situation auf den internationalen Agrarmärkten seit Beginn der Doha-Runde in 2001 erheblich verändert hat. Einige grosse Schwellenländer wie zum Beispiel Brasilien und China gewinnen zunehmend an Gewicht als Exporteure für Agrarprodukte. Zudem setzen diese Länder zunehmend ähnliche agrarpolitische Massnahmen wie die Industrieländer ein. So ist die Subventionierung der inländischen Produktion in den grossen Schwellenländern in den letzten Jahren stark angestiegen. Die USA forderten, diesen veränderten Umständen in den Verhandlungen Rechnung zu tragen. Demgegenüber hielten viele Schwellen- und Entwicklungsländer am letzten umfassenden Modalitätenpapier zu den Agrarverhandlungen aus dem Jahr 2008 als Verhandlungsgrundlage fest. Sie waren nicht bereit eine vergleichsweise striktere Limitierung ihrer internen Stützungsniveaus zu akzeptieren.

Aufgrund dieser Differenzen und des fehlenden politischen Engagements einiger grosser WTO-Mitglieder wie der USA, der EU und Indiens konnten vor der Sommerpause 2015 keine entscheidenden Fortschritte in den Verhandlungen erzielt werden. Auch in anderen Verhandlungsfeldern wie zum Beispiel den Industriegüterverhandlungen kam keine Einigung zustande. Der WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo legte Ende Juli 2015 lediglich einen Bericht zum aktuellen Stand der Verhandlungen vor. 

Vorbereitungen zur 10. Ministerkonferenz in Nairobi im Dezember 2015 

Im zweiten Halbjahr konzentrierten sich die Arbeiten an der WTO auf die Vorbereitung der 10. WTO-Ministerkonferenz in Nairobi (15.-18.12.2015). In den Diskussionen wurde mehrfach betont, dass Nairobi die letzte Gelegenheit für einen umfassenden Abschluss der Doha-Runde sei. Bei Redaktionsschluss dieses Berichts ist noch nicht klar, ob dieses Ziel erreicht werden kann. Denkbar ist – wie schon bei der vorherigen Ministerkonferenz in Bali – auch ein weiterer Teilabschluss von Elementen aus der Doha-Runde. Viele Mitglieder fordern zum Beispiel die vollständige Abschaffung von Exportsubventionen in Nairobi. Ausserdem soll die in Bali verabschiedete vorübergehende Lösung für staatliche Nahrungsmittellagerhaltung von Entwicklungsländern durch eine permanente Lösung ersetzt werden. Die Schweiz ihrerseits setzt sich für mehr Transparenz im Bereich der Exportrestriktionen und -verbote ein.  

Aktuelle Themen im Agrarkontext  

Der WTO-Streitbeilegungsmechanismus bietet Mitgliedern, die sich in ihren Rechten verletzt fühlen, die Möglichkeit dies von einer unabhängigen Instanz überprüfen zu lassen. Von besonderem Interesse war der Streitfall zwischen Guatemala und Peru: Konkret angeprangert wurde das Price Range System (PRS), mit welchem Peru für ausgewählte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Reis, Zucker, Milch und Mais) die Zölle festlegt. Guatemala monierte, dass der PRS einen Mindestimportpreis sowie eine variable Gebühr darstelle, was geltendem WTO-Recht widerspreche.   Der Fall ist insofern von Bedeutung, als dass er u. a. das rechtliche Verhältnis von Freihandelsabkommen und WTO-Verpflichtungen beleuchtet. Im Rahmen eines zwar unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten Freihandelsabkommens hatte Guatemala Perus PRS akzeptiert. Dies veranlasste Peru, Guatemala das Beanstandungsrecht abzusprechen.

Nichtsdestotrotz wurde in beiden WTO-Instanzen das PRS für mit WTO Recht unvereinbar erklärt und Guatemala grösstenteils Recht gegeben. Insbesondere die Unvorhersehbarkeit und Intransparenz des Systems wurden kritisiert.

Ebenso von Interesse sind die Verfahren zur Überprüfung der Handelspolitik («Trade Policy Review TPR») anderer WTO-Mitgliedsstaaten. Der Bericht analysiert jeweils auch die Massnahmen der Agrarpolitik. Die Schweiz nutzt – wie andere WTO-Mitglieder auch – die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Politikmassnahmen zu hinterfragen. Im Jahr 2015 sind die TPR-Prozesse von Kanada und der EU von besonderem Interesse gewesen.
In Bezug auf die kanadische Agrarpolitik wurden der hohe Grenzschutz sowie die hohe Inlandstützung bei Milchprodukten, Eiern und Geflügelfleisch kritisch kommentiert. Für die Schweiz von besonderer Relevanz waren Ausführungen in Bezug auf nicht ausgefüllte Zollimportkontingente für Milchprodukte.

Auch die Handelspolitik der EU wurde im Rahmen eines TPR analysiert. Die Landwirtschaftspolitik des weltweit wichtigsten Agrarimporteurs war dabei jener Aspekt, welcher die meiste Kritik hervorrief. Angeprangert wurden v.a. die hohen Zölle und die hohe Inlandstützung. Auch die zahlreichen importhemmenden sanitären und phytosanitären Massnahmen (z. B. für genmodifizierte Produkte) wurden kritisiert.

Tim Kränzlein, BLW, Fachbereich Internationale Handelspolitik, tim.kraenzlein@blw.admin.ch