Folgeprozess Rio+20 

Im Juni 2012 fand in Rio de Janeiro die UNO-Konferenz über Nachhaltige Entwicklung statt, in Anlehnung an die 1992 ebenfalls in Rio de Janeiro durchgeführte UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung kurz «Rio+20» genannt.

Das Abschlussdokument von Rio+20 The Future We Want identifiziert eine Anzahl von Massnahmen zur Stärkung der nachhaltigen Entwicklung, im Speziellen die Erarbeitung von Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sowie die Einsetzung eines Zehnjahresrahmens für Programme zur Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster (10 Year Framework of Programmes on Sustainable Consumption and Production, 10YFP). Diese beiden Prozesse sind für die Landwirtschaft von direkter Relevanz und werden von der Schweiz aktiv unterstützt. 

Sustainable Development Goals und Post-2015-Agenda 

Aufgrund des Abschlussdokuments von Rio+20 wurde ein internationaler Prozess zur Erarbeitung von SDGs in die Wege geleitet, der zum Ziel hat, den Aspekt der Nachhaltigkeit verstärkt in den Nachfolgerahmen der Ende 2015 auslaufenden Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs) zu integrieren. Eine Arbeitsgruppe der UNO-Generalversammlung (die Open Working Group on Sustainable Development Goals, OWG) wurde mit der Aufgabe betraut, bis im September 2014 einen Vorschlag für die SDGs zu erarbeiten. Von Januar bis Juli 2015 fand anschliessend ein zwischenstaatlicher Prozess statt, in dem auf der Grundlage des SDG-Vorschlags der OWG die Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung verhandelt wurde. Diese wird schliesslich im September 2015 von der Staatengemeinschaft an einem UNO-Gipfel verabschiedet.

Während sich die MDGs hauptsächlich auf Entwicklungsländer bezogen hatten, werden die 17 SDGs der Post-2015-Agenda universelle Gültigkeit haben; das heisst alle Länder – insbesondere auch Industrieländer wie die Schweiz – verpflichten sich, zusätzlich zu ihren Anstrengungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auch Ziele auf nationaler Ebene umzusetzen. Ausserdem sollen die SDGs die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung (ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit) abdecken und zusammenhängende Themenbereiche zu einander in Verbindung stellen. Daher setzte sich das BLW im Bereich Ernährung und Landwirtschaft für ein Ziel ein, das sich nicht nur auf die Hungerbekämpfung beschränkt, sondern diese mit den Aspekten der Ernährungsqualität, der Förderung nachhaltiger und resilienter Ernährungssysteme sowie der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität verbindet.

Zur Erarbeitung des Schweizer Zielvorschlags im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und -qualität leitete das BLW gemeinsam mit der DEZA eine thematische Arbeitsgruppe mit der Teilnahme aller interessierten Kreise aus der Schweizer Zivilgesellschaft, der Forschung und dem Privatsektor. Zudem ist das BLW in der Interdepartementalen Task Force «Post-2015» vertreten, welche die Schweizer Position und das Verhandlungsmandat für den zwischenstaatlichen Prozess zur Erarbeitung der Post-2015-Agenda ausgearbeitet hat.

Auf internationaler Ebene brachte sich die Schweiz aktiv in der OWG ein, sowie anschliessend im zwischenstaatlichen Prozess. Die Ziele des OWG-Vorschlags wurden in die Post-2015-Agenda integriert, zusammen mit einer Deklaration, einem Teil über Mittel zur Umsetzung und einem Teil über Monitoring und Umsetzungsüberprüfung. Das SDG im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und -qualität besteht aus fünf Unterzielen und lautet wie folgt:

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Ziel 2. Den Hunger beseitigen, die Ernährungssicherheit gewährleisten, die Ernährung verbessern und die nachhaltige Landwirtschaft fördern

2.1  Bis 2030 den Hunger beseitigen und sicherstellen, dass alle Menschen – insbesondere auch die armen und verletzlichen Menschen, einschliesslich der Säuglinge – ganzjährlich Zugang zu gesunder, nahrhafter und ausreichender Ernährung haben.

2.2  Bis 2030 jede Form von Mangelernährung beheben, einschliesslich mit der Umsetzung bis 2025 der auf internationaler Ebene festgelegten Ziele betreffend die Entwicklungsverzögerungen und die Unterernährung von Kindern unter 5 Jahren, und den Ernährungsbedürfnissen von Jugendlichen, schwangeren oder stillenden Frauen und alten Menschen nachkommen.

2.3  Bis 2030 die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von kleinen Lebensmittelproduzentinnen und ­produzenten – namentlich von Frauen, Einheimischen, Familienbetrieben, Viehzüchterinnen und ­züchtern sowie Fischerinnen und Fischern – verdoppeln, auch über den gleichberechtigten Zugang zu Land, zu anderen produktiven Ressourcen und zu Inputs, zu Wissen, zu Finanzdienstleistungen, zu den Märkten und zu Wertschöpfungs- und Arbeitsmöglichkeiten ausserhalb der Landwirtschaft.

2.4  Bis 2030 die Tragfähigkeit der Lebensmittelproduktionssysteme sicherstellen mittels resilienter landwirtschaftlicher Praktiken, die eine Steigerung der Produktivität und Produktion ermöglichen, die zum Schutz der Ökosysteme beitragen, die die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel, an extreme Wettersituationen, an Trockenheit, an Überschwemmungen und an andere Katastrophen erhöhen und die die Qualität von Land und Böden stetig verbessern.

2.5  Bis 2020 die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen, Nutz- und Haustieren und der entsprechenden Wildtiere wahren, einschliesslich anhand von gut geführten und auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene diversifizierten Samen- und Pflanzenbanken, und den Zugang zu den Vorteilen aus der Verwendung der genetischen Ressourcen und des entsprechenden überlieferten Wissens sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung dieser Vorteile, wie es auf internationaler Ebene beschlossen wurde, fördern.

Quelle: UNO

Eine Reihe weiterer Unterziele in Bereichen wie nachhaltiger Konsum und Produktion, Biodiversität, Gesundheit sowie Wasser stehen in direktem Bezug zum SDG 2. Weiter sieht der Teil über Monitoring und Umsetzungsprüfung u. a. vor, dass relevante bestehende zwischenstaatliche Foren zur Umsetzungsprüfung der Post-2015-Agenda beitragen sollen. Somit könnte das Welternährungskomitee (Committee on World Food Security, CFS) zukünftig eine Rolle im Monitoring des SDG 2 spielen, wofür sich auch die Schweiz eingesetzt hat. 

10YFP Programm über nachhaltige Ernährungssysteme 

Seit 2011 unterstützt das BLW das gemeinsame FAO-UNEP Sustainable Food Systems Programme, das zum Ziel hat, die Ressourceneffizienz der Ernährungssysteme zu verbessern und deren Umweltwirkungen zu vermindern, von Produktion bis Konsum, bei gleichzeitiger Sicherstellung der Ernährungssicherheit. Die Agri-food Task Force des FAO-UNEP Programms – das Multipartner-Gremium, welches die Umsetzung des Programms vorantreibt – hat im Juni 2013 beschlossen, Anstrengungen zu unternehmen, damit ein Programm über nachhaltige Ernährungssysteme in den 2012 in Rio+20 eingesetzten Zehnjahresrahmen für Programme zur Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster der UNO (10YFP) aufgenommen werden kann. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um der Thematik der Förderung nachhaltiger Ernährungssysteme auf globaler Ebene zusätzliche Stosskraft zu verleihen. Das BLW unterstützt den von FAO und UNEP geleiteten Konsultationsprozess aktiv, der Anfang 2014 begann und bis Oktober 2015 in der Aufnahme eines globalen Sustainable Food Systems Programme (SFS Programme) im 10YFP münden soll.

Anfang 2014 unterstützte die Schweiz das von FAO und UNEP gemeinsam eingereichte Gesuch zuhanden des 10YFP Board zur Entwicklung und Aufnahme eines Programms über nachhaltige Ernährungssysteme ins 10YFP, zusammen mit Costa Rica, den USA und Südafrika. Ende März hat das 10YFP Board schliesslich sein grünes Licht gegeben. Hiernach musste ein mehrstufiger Konsultationsprozess zur Entwicklung und Fertigstellung des Arbeitsprogramms des zukünftigen 10YFP Sustainable Food Systems Programme (SFS Programme) durchlaufen werden. Auf Basis der Resultate einer online Umfrage erarbeitete die Agri-food Task Force im September 2014 einen Vorschlag für die Vision, Zweck, Ziele und Arbeitsbereiche des SFS Programme. Anhand dieser Elemente entwarfen FAO und UNEP anschliessend einen ersten Entwurf des Arbeitsprogramms, der im März/April 2015 öffentlich konsultiert wurde. Im Juli 2015 übernahm schliesslich das BLW die Leitung der Aufbauphase des SFS Programme, mit dem Ziel, die erfolgreiche Lancierung des Programms vor Jahresende sicherzustellen.

Unter dem 10YFP SFS Programme werden bestehende Initiativen auf internationaler und nationaler Ebene zur Förderung nachhaltiger Ernährungssysteme zusammengeführt, damit Synergien genutzt und verfügbare Ressourcen optimal für gemeinsame Ziele eingesetzt werden können. Bis Juli 2015 hatten über 100 Regierungsagenturen, internationale und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie private Unternehmen aus aller Welt ihr Interesse angekündigt, sich am SFS Programme zu beteiligen – darunter auch verschiedene aus der Schweiz. Die vorgesehene Dauer zur Umsetzung des 10YFP beträgt zehn Jahre. Das BLW sieht das SFS Programme als wichtigen Umsetzungsmechanismus für SDG 2 der post-2015-Agenda (siehe Box oben) sowie einer Reihe von Unterzielen anderer SDGs mit direkter Verbindung zu SDG 2. 

Patrick Mink, BLW, Fachbereich Internationale nachhaltige Landwirtschaft, patrick.mink@blw.admin.ch